Ein Quantensprung für die Kernspin-Technologie

Das VIP+-Projekt UHDS-QNMR (Ultrahochdurchsatz-Screening Quanten-NMR) arbeitet an einem Demonstrator, der kleinste Mikrotröpfchen parallelisiert chemisch analysieren kann und damit in zahlreichen Bereichen der Lebenswissenschaften neue Anwendungsmöglichkeiten eröffnet. Zu Potenzial und Details haben wir den Projektkoordinator Dominik Bucher von der Technischen Universität München befragt.

Diamantchip mit Stickstoff-Fehlstellen für die parallelisierte Detektion von Kernspinresonanz-Signalen
Parallelisierte Kernspinresonanzspektroskopie mittels Quantensensoren für die Ultrahochdurchsatzanalyse©Technische Universität München

Frage: Nicht zuletzt die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig zuverlässige und vor allem sehr schnelle Analyseverfahren sind, wenn beispielsweise Medikamente und Impfstoffe entwickelt werden. Was ist Ihr Ansatz im Projekt, um Proben schneller und besser analysieren zu können?

Dominik Bucher: Grundlage ist die moderne Kernspinresonanz-Spektroskopie (NMR, englisch: nuclear magnetic resonance) – ein wesentliches Instrument der modernen chemischen Analytik. Mit Hilfe der NMR lassen sich beispielsweise Inhaltsstoffe in einer Probe nachweisen oder Molekülstrukturen bestimmen. Die klassische NMR-Spektroskopie ist jedoch stark eingeschränkt: Sie ist nur in relativ großen Probenmengen von etwa hundert Mikrolitern einsetzbar, das entspricht der Menge einer kleinen Spritze, und zudem mit langen Messzeiten von mehreren Minuten bis zu vielen Stunden pro Einzelprobe verbunden. Mit unserem neuen Verfahren ist es möglich, auch kleinste Proben in kurzer Zeit zu analysieren: Dabei werden viele Proben gleichzeitig auf einen nur wenige Millimeter großen Diamantchip aufgebracht, der als neuartiger, hochparallelisierter NMR-Quantensensor fungiert.

Die Verbesserung entsteht also auf Basis von Quantentechnologien. Wie funktioniert das genau?

Dominik Bucher: Die Quantentechnologie hat in den vergangenen Jahren eine neue Klasse von Magnetfeldsensoren hervorgebracht: die sogenannten Stickstoffdefekte in Diamanten. Der Quantenzustand dieser Defekte interagiert mit Magnetfeldern, z. B. NMR-Signalen. Die Änderung des Quantenzustandes kann dann optisch ausgelesen und quantifiziert werden. Mit dieser Methode können wir NMR-Signale aus kleinsten Volumina detektieren und visualisieren.

Was sind Erfolge, auf die Sie aufbauen konnten?

Dominik Bucher: Lange Zeit scheiterte unser Ansatz an verschiedenen technischen Problemen, die einerseits damit zusammenhängen, dass für diese Sensorik hohe Laserleistungen notwendig sind, und andererseits damit, wie wir mikroskopisch kleine Proben handhaben. Volumina im Pikoliterbereich sind so klein, dass sie kaum pipettiert werden können und extrem schnell verdampfen. Eine Lösung, die sich in den vergangenen Jahren etabliert hat, sind sogenannte Mikrotropfen: Die Probe befindet sich in Tröpfchen in Öl. In unserem Labor haben wir dann im vorigen Jahr zwei wesentliche Verfahren entwickelt und patentiert: Dabei werden die Proben in Tröpfchen auf einem nur wenige Millimeter großen Diamantchip angeordnet, die Probenstellen dann mit einer patentierten Optik angeregt – und die NMR-Signale parallel mit einer Kamera aufgenommen. Die Probenzuführung erfolgt über eine patentierte Anordnung von Mikrotröpfchen. Dies ermöglicht nicht nur, die Proben schnell zu wechseln, sondern auch, nach bestimmten identifizierten Analysen zu sortieren. So ist uns als weltweit erstem Forscherteam gelungen, ein NMR-Signal in einem einzelnen Mikrotröpfchen zu messen. Völlig neu ist auch die Idee, diese NV-Diamanten für die parallelisierte NMR-Detektion zu verwenden.

Welche Herausforderungen gilt es im Projekt noch zu bewältigen und wie kann die Validierungsförderung dabei helfen?

Dominik Bucher: Die eigentliche Stärke des Verfahrens liegt in der Skalierung des Detektionsprozesses. Ziel der Validierungsphase ist es, unsere bereits erfolgreichen Experimente zu einem Demonstrator weiterzuentwickeln, mit dem bis zu 10.000 Proben pro 30 Minuten Messzeit analysiert werden können. Die Herausforderung besteht darin, die für praktische Anwendungen notwendige chemische Spezifität und Empfindlichkeit zu erreichen. Im Rahmen des Projektes sollen die drei technischen Kriterien – chemische Spezifität, Sensitivität und Parallelisierung/Durchsatzanwendung – validiert werden. Die Förderung in VIP+ erlaubt es uns, qualifiziertes Personal für die notwendigen Experimentreihen einzustellen und finanziert die Anschaffung eines Magneten für den Aufbau des Demonstrators. Nach erfolgreichem Abschluss des VIP+ Projektes können wir so mit einem vorzeigbaren Messaufbau und den zugehörigen validierten technischen Kennwerten in die Verwertungsphase starten.

Wer kann davon profitieren, welche Anwendungsmöglichkeiten sehen Sie?

Dominik Bucher: Die Hauptanwendung sehen wir im Bereich der Hochdurchsatzanalytik, die in den Biowissenschaften und der Chemie für das Screening von Katalysatoren und neuen Wirkstoffen sowie in der Diagnostik in der Medizin täglich eingesetzt wird. Bisher war die Analyse meist auf optische Techniken beschränkt, die kaum Informationen über die chemische Zusammensetzung lieferten. Unsere Technik ermöglicht erstmals eine einfache molekulare Strukturaufklärung im Hochdurchsatzverfahren mit zahlreichen Anwendungen, die von der Katalysator- oder Medikamentenentwicklung bis zur Analyse von Blutproben reichen. Ein Beispiel ist die Entwicklung von Biokatalysatoren für die Bioalkoholproduktion: Um den effizientesten Biokatalysator zu finden, werden viele Enzym-Varianten in Mikrotröpfchen verpackt. Die notwendige chemische Analyse war bisher sehr schwierig und soll nun mit unserer parallelisierten NMR möglich werden.

Wagen Sie eine Prognose: Wie lange schätzen Sie bis zum Einsatz in der Praxis?

Dominik Bucher: Die Validierungsergebnisse werden die Grundlage für die Verwertungsphase bilden. Für diese komplexe Technologie werden hier noch einmal fünf bis zehn Jahre benötigt.

 

Kontakt

Dominik Bucher
Technische Universität München
+49 89 289-13435
Dominik.Bucher@tum.de

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