Der neue Rohstoff für den Flugantrieb heißt Sauermolke

Das VIP+ Vorhaben „MolkeKraft“ hat ein Verfahren validiert, wie die Sauermolke in Zukunft für Flugzeugkraftstoffe verwendet werden kann.

© Universität Tübingen

Bei der Herstellung von Joghurt, Käse und anderen Milcherzeugnissen fallen Abfälle in Form von Molke und Molkepermeaten an. Jährlich sind das in Deutschland über 13 Millionen Tonnen. Neben der Süßmolke, welche zum Teil für Proteinpulver oder Kosmetika weiter verwertet wird, sind das auch noch etwa 4 Millionen Tonnen Sauermolke. Sauermolke ist jedoch aufgrund ihrer Zusammensetzung aus Mikroorganismen, Molkeproteinen sowie löslichem Calcium und ihres pH-Werts (pH ≈ 4,6) technologisch nur aufwendig weiterzuverarbeiten. Die Sauermolke wird daher fast vollständig als Abwasser entsorgt, was für die Unternehmen mit hohen Kosten verbunden ist, da die Klärung der Abwässer mit hohen technologischen Anforderungen verbunden ist. Das VIP+ Vorhaben „MolkeKraft“ hat ein Verfahren validiert, wie die Sauermolke in Zukunft für Flugzeugkraftstoffe verwendet werden kann.

 Im Rahmen des VIP+ Vorhabens hat das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH (UFZ) in Leipzig zusammen mit dem Zentrum für Angewandte Geowissenschaften der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen ein Verfahren zur mikrobiell-elektrochemischen Nutzung von Sauermolke zur Herstellung von drop-in Kraftstoffen für die Luftfahrt entwickelt. Das Verfahren ist zweistufig, bestehend aus einem mikrobiologischen und einem elektrochemischen Verfahrensschritt. Das Verfahren wurde von beiden Partnern im Labormaßstab entwickelt. Durch die Validierung konnte die Skalierung der mikrobiologischen und elektrochemischen Prozessschritte optimiert und in den Technikumsmaßstab (ca. 100 Liter der biologischen Prozessstufe) überführt werden. Im biologischen Verfahrensschritt wird in einer ersten biologischen Stufe der in der Sauermolke noch vorhandene Milchzucker in Milchsäure umgewandelt. Anschließend wird die Milchsäure zu Carbonsäure mit sechs bis acht Kohlenstoffatomen umgesetzt. Im zweiten elektrochemischen Verfahrensschritt werden diese zu einem Gemisch aus Kohlenwasserstoffen veredelt, wobei kostengünstige Elektrodenmaterialien zum Einsatz kommen können. Das Ergebnis ist dem Kerosin sehr ähnlich und kann so dem Kraftstoff von Flugzeugen beigemischt werden.

Durch das Verfahren ließen sich pro Jahr ca. 50 Millionen Liter „alternatives“ Kerosin herstellen, was rund 1000 Flügen zwischen Frankfurt und New York entspricht.

Zudem kann aus dem Verfahren als Co-Produkt des elektrochemischen Verfahrensschritts zusätzlich Wasserstoff gewonnen werden.

In der Zukunft könnte das Verfahren unter Nutzung bereits bestehender Infrastrukturen für Biogasanlagen in die Anwendung überführt werden. Durch die zeitliche Entkopplung des (kontinuierlichen) biologischen Verfahrensschritts vom diskontinuierlichen elektrochemischen Verfahrensschritt kann das Verfahren auch zur Abfederung von „Stromspitzen“ eingesetzt werden.

Ferner kann das Verfahren auch auf andere Abfallprodukte und Abwässer übertragen werden, beispielsweise landwirtschaftliche Abfälle.

Das Team ist auf der Suche nach entsprechenden Verwertungspartner aus der Industrie. Die Demonstrationsanlage für die biologischen Prozesse kann an der Universität Tübingen besichtigt werden.

Kontaktpersonen:

Prof. Dr. Falk Harnisch
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ
Department Umweltmikrobiologie, Arbeitsgruppe Elektrobiotechnologie
Permoserstr. 15, 04318 Leipzig
Tel.: +49 341 235-1337
falk.harnisch@ufz.de

Prof. Dr. Largus T. Angenent
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Zentrum für Angewandte Geowissenschaften
Schnarrenbergstraße 94-96, 72076 Tübingen
Tel.: +49-(0)7071 29 74729
l.angenent@uni-tuebingen.de