Interview mit Dr. Stefan Gsell über Diawafer

Ein aus dem Validierungsvorhaben „DIAWAFER“ hervorgegangenes Start-up produziert den großflächigsten Diamanten der Welt und sorgt damit international für Furore.

Wafer
Wafer© Audiatec GmbH

Frage: Im VIP-Förderprojekt „DIAWAFER“ haben Sie sich einer der größten technologischen Herausforderungen der Materialsynthese gestellt – der Herstellung einkristalliner Wafer, d. h. großflächiger dünner Scheiben eines Kristalls. In Ihrem Fall ging es um das spannende Kristall „Diamanten“ und Sie haben so die Weiterentwicklung der Diamanttechnologie nachhaltig geprägt. Wie funktioniert die Synthese von Diamanten eigentlich und worin genau liegt die Innovation in dem von Ihnen entwickelten Herstellungsverfahren?

Dr. Gsell: Die Innovation besteht darin, dass wir es geschafft haben, Diamantscheiben aus einem Gasgemisch heranwachsen zu lassen. Diese Diamantscheiben sind deutlich größer als natürlich vorkommende Diamanten, leichter und schneller herstellbar und für industrielle Zwecke geeignet. So können z. B. mit unseren Diamantscheiben sehr präzise Schneiden für chirurgische Skalpelle hergestellt werden.

Die Grundlage unseres Verfahrens ist die Chemische Gasphasenabscheidung (CVD). Dabei wird eine Mischung aus hochreinen Gasen (vornehmlich Wasserstoff und Methan) mit Hilfe von Mikrowellen angeregt und eine Plasmaentladung gezündet. Die Gase werden teilweise zerlegt und energetisch angeregt, sodass sie beim Auftreffen auf eine Oberfläche an bestehende kristalline Strukturen andocken können und so einen Diamantkristall wachsen lassen. In der Regel wachsen dabei aber polykristalline Schichten. Unser Ziel war jedoch die Synthese von einkristallinen Schichten (und freistehenden Scheiben) mit Wafer-Dimensionen. Dabei ist es uns gelungen ein Multischichtsystem als Unterlage für das Diamant-Wachstum zu entwickeln, das alle Anforderungen an Stabilität, struktureller Qualität und Skalierbarkeit erfüllt. Des Weiteren konnten wir während der Validierung alle relevanten Syntheseschritte auf 100-mm Scheiben vergrößern. Damit war der Weg frei für eine wirtschaftliche Verwertung in verschiedenen Anwendungsfeldern, die wir bereits unseren Validierungsarbeiten im VIP-Projekt zu identifizieren versuchten.

Frage: Bei Diamanten denkt man unwillkürlich an Ketten und Ohrringe, aber sie sind nicht nur für die Schmuckindustrie interessant, sondern in einem breiten Spektrum mechanischer, optischer, elektronischer und thermischer Anwendungen. Welche Möglichkeiten bieten sich für Ihre synthetisch hergestellten Diamanten?

Dr. Gsell: Einkristalliner Diamant wird schon lange in verschiedenen Feldern der Industrie eingesetzt. Zunächst wurden Naturdiamanten verwendet, später in zunehmendem Maße synthetische Kristalle aus der Hochdrucksynthese oder mittels Homoepitaxie gewachsene CVD-Diamanten. Dabei waren reproduzierbare Eigenschaften, konstante Qualität, oft der Preis und die maximal verfügbaren Dimensionen unbefriedigend, wenn man Diamanten mit anderen Rohstoffen vergleicht. Unsere Diamantscheiben sind ein wesentlicher Fortschritt: Wir können Halbzeuge, also vorgefertigte Werkstücke aus Diamant mit reproduzierbaren Eigenschaften, für die Herstellung von Schneidwerken zur Ultrapräzisionsbearbeitung von Buntmetallen/Acrylglas oder für die Realisierung von infrarotoptischen Komponenten anbieten. Mit dem Wachstum auf großer Fläche konnten wir hinsichtlich der Größe möglicher Komponenten in eine völlig neue Dimension vorstoßen. Einkristalline Wafer werden zudem eine zentrale Rolle in der zukünftigen Entwicklung von elektronischen Hochleistungsbauelementen spielen.

Frage: Während der Validierungsphase wurden Sie von Ihrem Innovationsmentor, Professor Michael Heine, Inhaber des Lehrstuhls für Materials Engineering der Universität Augsburg, unterstützt. Können Sie uns einen kurzen Einblick in die Zusammenarbeit mit Ihrem Innovationsmentor geben? Welche Aspekte machten die Zusammenarbeit so erfolgreich?

Dr. Gsell: Unser Innovationsmentor Prof. Michael Heine war zur Zeit des Projekts bei der Firma SGL Carbon tätig. Dort war er u.a. für Fragen rund um Innovation und Knowledge Management, die Entwicklung neuer Geschäftsfelder sowie die Kooperation mit externen Partnern zuständig. Diese auch für ein Start-up extrem drängenden Themen konnte er uns aus der Sicht eines Wissenschaftlers, der bereits viele Jahre in der Industrie tätig war, nahe bringen. Insbesondere für eine erfolgreiche erste Kontaktaufnahme mit möglichen Anwendern unserer Proben in der Industrie konnte er uns wertvolle Tipps geben. Dazu zählten beispielsweise Erklärungen, wie Entscheidungsprozesse innerhalb eines Industrieunternehmens ablaufen. Wichtig war auch die Erkenntnis, dass man bei Industriekontakten einen Mindeststand der Entwicklung bereits erreicht haben sollte, da man bei zu vielen unbefriedigenden Testproben, selbst wenn diese kostenlos zur Verfügung gestellt werden, die Geduld des Industriepartners sehr schnell überstrapaziert. Unser Innovationsmentor konnte uns darüber hinaus auch wertvolle Kontakte zu möglichen Anwendern vermitteln. 

Frage: Welche weiteren Schritte waren nach Abschluss der Validierungsphase und damit der Förderung in VIP wichtig für die erfolgreiche Gründung der Augsburg Diamond Technology GmbH?

Dr. Gsell: Die VIP-Förderung des BMBF und die damit verbundenen Validierungstätigkeiten waren für uns ein essentieller Baustein für die erfolgreiche Gründung der Augsburg Diamond Technology GmbH.

Im Anschluss konnten wir über das Programm EXIST-Forschungstransfer des BMWi den letzten Schritt hin zur Unternehmensgründung zu gehen. Zur Vorbereitung des Antrags bei der Maßnahme „EXIST-Forschungstransfer“ sowie die im Laufe des Projekts geplante Unternehmensgründung waren umfangreiche Gespräche mit der Universitätsleitung, der Rechtsabteilung sowie dem Lehrstuhlinhaber notwendig, um sicherzustellen, dass alle geplanten Schritte später nicht an Hürden scheitern würden, die man im Vorfeld hätte erkennen und beseitigen können. Diese Gespräche wurden kurz vor der Unternehmensgründung intensiviert. Bei der Ausarbeitung geeigneter (Vor-) Verträge konnte während des EXIST-Projekts auf die Unterstützung eines extrem erfahrenen Coaches zurückgegriffen werden.

Frage: Ein zentrales Anliegen des BMBF ist die Unterstützung einer Gründungskultur in Wissenschaft und Forschung, um die Innovationsfähigkeit in Deutschland für die Zukunft zu sichern. Welche wertvollen Hinweise können Sie zukünftigen Gründerinnen und Gründern für den Weg aus der Validierung mitgeben? 

Dr. Gsell: Eine der wichtigsten Empfehlungen ist: Reden Sie mit Gründern, die bereits vor den gleichen Fragen wie Sie standen! Denn sie haben bereits Antworten gesucht und gefunden und auch die Erfahrung gemacht, ob diese Antworten richtig waren oder gegebenenfalls zur Nachahmung nicht zu empfehlen sind.

Deshalb lautet mein dringendster Rat, mit möglichst vielen Gründern, deren Ausgründung aus einer Hochschule noch nicht zu lange zurückliegt, zu sprechen. Dies sind wir, die drei Gründer der Augsburg Diamond Technology GmbH, systematisch angegangen. Wir haben in wechselnden Zweierteams eine Vielzahl von Start-ups telefonisch anhand einer zuvor ausgearbeiteten Liste von Themen interviewt.

Wir hatten uns auf Gründungen mit Technologiebezug aus der Universität heraus konzentriert. Dabei waren rechtliche Fragen zur Nutzung bzw. Übertragung vorhandener Patente, die Rolle der Hochschule bei der Gründung sowie die Nutzung von Infrastruktur in der Startphase von zentraler Bedeutung. Es kristallisierte sich heraus, dass bei Hochschulen mit eher geringer Vorerfahrung in Sachen Start-ups ein erfahrener Coach, der diese Phase schon mehrfach bei Ausgründungen begleitet hat, extrem wertvoll sein kann. Der von uns unter diesen Gesichtspunkten ausgewählte Coach (eine Empfehlung eines anderen Start-ups) konnte tatsächlich wesentlich dazu beitragen, dass bei allen genannten Problemen Lösungen gefunden wurden, die sich auch im Nachhinein als sehr vernünftig erwiesen haben.

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Projekt DIAWAFER